
Erika Mann, die älteste Tochter des berühmten Schriftstellers Thomas Mann, unterschrieb im März 1925 einen Vertrag mit dem renommierten Bremer Schauspielhaus. Dabei war dies der Beginn eines turbulenten Kapitels in ihrem Leben, das von Selbstzweifeln und der Suche nach Identität geprägt war. In einem vertraulichen Brief an ihre Freundin Pamela Wedekind äußerte sie schon früh ihre Unzufriedenheit mit Bremen, das sie im Vergleich zu ihrem geliebten Berlin als zurückgeblieben und nicht anregend empfand. Trotz der kulturellen Bedeutung des Bremer Schauspielhauses, welches in der Weimarer Republik für die Uraufführungen zeitgenössischer Dramatiker berühmt war, fühlte sich Erika unwohl und kämpfte gegen innere Zweifel an ihrer Schauspielkarriere.
Ihr Debüt als Schauspielerin fand am 20. August 1925 in dem Lustspiel „Ihre Königliche Hoheit“ statt. Trotz der Vorfreude war sie mit ihrer Leistung sehr unzufrieden. Die Furcht vor ihrer ersten Hauptrolle in „Der Kreidekreis“ nagte an ihr, doch entgegen ihrer Erwartungen wurde sie vom Publikum durchweg positiv aufgenommen. Diese anfänglichen Schwierigkeiten waren jedoch letztlich der Grund für ihre Abreise aus Bremen bereits im Oktober 1925. Eine Theaterchance in Hamburg, verbunden mit dem ersten Stück ihres Bruders Klaus, lockte sie in eine neue Richtung.
Die komplexe Beziehung zu Bremen
Erika Manns Zeit in Bremen war kurz, und dennoch von entscheidender Bedeutung. Auch ihr Vater Thomas Mann, der Bremen im Oktober 1925 besuchte, konnte die Schwierigkeiten, die seine Tochter hatte, nicht übersehen. Bei diesem Besuch, zwei Monate nach seiner kritischen Einschätzung der Stadt, hielt er eine Lesung und versuchte, Erika zu trösten. Thomas Mann war die schwierige Situation seiner Tochter bewusst und erkannte die Herausforderungen, die das Leben in der Hansestadt mit sich brachte.
Obwohl Erika Mann niemals nach Bremen zurückkehrte und ihre Karriere in München fortsetzte, zeigt ihre kurze Zeit in der Stadt, wie prekär das Leben eines Künstlers in der Weimarer Republik sein konnte. Während andere Schauspieler wie Heinz Rühmann die Stadt als steif empfanden, blieben Erikas Empfindungen von äußeren Erwartungen und inneren Kämpfen geprägt.
Kämpferin im Exil
Nach ihrer Zeit in Bremen wurde Erika Mann eine prominente Kämpferin gegen den Nationalsozialismus. Ab Mitte der 1920er Jahre war sie als Schauspielschülerin bei Max Reinhardt aktiv und sammelte zahlreiche Engagements. Ihre journalistische Arbeit in Magazinen und Tageszeitungen, sowie die Veröffentlichung zweier Kinderbücher, zeugen von ihrer Vielseitigkeit. 1932 betrat sie die politische Bühne, als sie als Reaktion auf die Radikalisierung der politischen Öffentlichkeit das Kabarett „Die Pfeffermühle“ gründete. Dieses Kabarett entwickelte sich bis 1937 zu einer der einflussreichsten Kultureinrichtungen der deutschen Emigration.
Im Januar 1933 wurde Erika Mann nach nur zwei Monaten mit „Die Pfeffermühle“ ins Exil gezwungen. Ihre staatsbürgerliche Integration wurde 1935 weiter erschwert, als sie wegen „Verunglimpfung Deutschlands“ die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, was sie zum dritten Mitglied ihrer Familie machte, das ausgebürgert wurde. Um britische Staatsbürgerin zu werden, heiratete sie scheinfrei den englischen Schriftsteller Wystan H. Auden. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Kriegsberichterstatterin für die amerikanische Armee und berichtete aus verschiedenen Ländern.
Literarisches Erbe
Erika Mann blieb jedoch nicht nur in der politischen Arena aktiv. Gemeinsam mit Klaus Mann veröffentlichte sie 1939 das bedeutende Werk „Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil“, das Künstler, Wissenschaftler und politische Repräsentanten der deutschen Emigration beleuchtet. Die Publikation, die unter anderem auf bedeutende Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Sigmund Freud eingeht, wurde ein großer Erfolg und stellt ein wichtiges Zeugnis der kulturellen Exil-Kunst dar. Im Jahr 1991 wurde die deutschsprachige Ausgabe veröffentlicht, die bis heute ein bedeutendes literarisches Erbe darstellt.
Nach dem Krieg widmete Erika Mann sich der Aufarbeitung des Lebens und Werkes ihrer berühmten Familie, während sie sich weiterhin für die Belange der Exilierten einsetzte. Ihr Weg war geprägt von Verlust, jedoch auch von einem unermüdlichen Einsatz für Kunst und Kultur. Ihre Erinnerungen und Erfahrungen lassen sich nicht nur in ihren Werken, sondern auch in der Geschichte der deutschen Emigration nachverfolgen.